Es ist nicht alles schwarz oder weiß

Es ist nicht alles schwarz oder weiß

Immer wieder gerate ich in den aSozialen Medien in Diskussionen. Ist das Glas halb voll oder halb leer, ist das hier eine Cola oder ein Soda, ist Kölsch ein Bier (haha, natürlich nicht!) oder können Frauen auch Männer sein. Kennste auch, ne? Das Schlimmste an alledem ist nicht die Tatsache, dass Menschen diskutieren - im Gegenteil. Respektvolle Diskussionen können, obwohl, oder gerade weil, die Meinungen auseinander gehen, ein Nährboden der geistigen Entwicklung der jeweiligen Partizipanten sein.

Das wäre halt so, wenn der Durchschnittsmensch gelernt hätte, wie man diskutiert und wofür so eine Diskussion eigentlich gut ist. Es geht nämlich in erster Linie nicht darum, den Anderen mit seiner eigenen pimmeligen Meinung zu deepthroaten. Eigentlich sollte man, mit nachvollziehbaren Argumenten, ein gesittetes Gespräch führen. Selbiges muss noch nicht mal zu einem Ergebnis führen. Jeder sagt seine Meinung und man versucht anhand von Argumenten, seine eigene Meinung zu untermauern und die des Anderen zu entkräften. Es muss, wie gesagt, nicht zwangsweise ein Ergebnis rauskommen. Wichtig ist hier allein, dass man den Standpunkt der anderen Person wahrnimmt und sich, auch nach dem Gespräch, Gedanken über die Perspektive des Gegenübers machen kann. Vor allem, wenn sie von der eigenen Meinung abweicht. An sowas kann man wachsen. Und ich wiederhole mich absichtlich: Es klappt auch prima, wenn man sich nicht gleich überzeugt sondern sich erstmal darauf einigt, sich nicht einig werden zu können.

Besonders schlimm wird es, wenn es um polarisierende Themen geht. Da sagt Links, wie doof Rechts ist und Rechts, wie doof Links ist. Aber es gibt da auch noch eine Mitte, die beide Seiten verstehen kann und daher Argumente beider Parteien für Richtig und Wichtig hält. Denn es gibt nicht immer schwarz und weiß. Dafür bringe ich nun zwei Beispiele zu Themen, mit denen ich ständig konfrontiert werde.

 

1. Beyond oder nicht beyond, das ist hier die Frage


Eine der hitzigsten Diskussionen, die weltweit online geführt wird, ist die des Tötens von Tieren. Während die Einen nichts mit tierischen Produkten anfangen wollen, scheinen die Anderen quasi von morgens bis abends nur Fleisch (natürlich aus Massentierhaltungen) zu essen, Lederjacken zu tragen und böse Kuhmilch zu trinken.

Dann gibt es Leute wie mich. Ich esse sehr gerne Fleisch. Ich bin aber auch der Meinung, dass Fleisch nicht einfach ein kaufbares Gut ist, das man, wie ein hartgewordenes Stück Brot, einfach wegwirft. Immerhin ist da ein Tier gestorben. Um meine Denkweise etwas genauer zu erörtern, muss ich ein klein wenig ausholen:

Der Großteil meiner Familie lebt in Italien. Dort haben die ein rieeeesiges Haus. Auf der Dachterrasse halten die sich unter anderem Hühner. Diesen Hühnern geht es prima - bis es ihnen an den Kragen geht. In aller Regelmäßigkeit bekommen sie Futter. Wer meine Familie kennt, der weiß, dass Essen bei uns eine große Rolle spielt. Also bekommen auch die Haustiere ordentlich was in die Fressluke. Und zwar nicht nur Mais.

Hühner sind geile Tiere. Vom Ei bis zum Brathähnchen | Quelle: ◹Tenor

Diese Hühner dienen nicht nur als Brathendl sondern legen natürlich auch Eier. Sie leben nicht in Legebatterien. Ihre Eier sind auch nicht befruchtet, sodass man keine flüssigen Küken sondern streng genommen die Regelblutung der Hühner verspeist, die sowieso irgendwann faul geworden wäre. Also hat man dem Huhn eigentlich nichts weggenommen. Die Eier werden selbstverständlich alle verwertet. Hier wird nichts weggeworfen.

Genau wie bei den Hühnern. Wird eins geschlachtet, wird es, soweit es halt geht, verwertet. Fleisch wegwerfen? Niemals. Nicht bei den konservativen Italienern. Vor allem nicht bei denen, die die Nachkriegszeit miterleben mussten. Dieses Tier wird getötet, zubereitet und vorm Essen wird Gott für das Mahl gedankt, denn nicht jeder Mensch auf der Welt hat das Privileg, einfach so ein Biohühnchen serviert zu bekommen. Oder überhaupt etwas zu essen. Die Dankbarkeit ist nämlich sehr groß, da meine Großeltern (und daher auch ihre Kinder) früher wirklich sehr arm waren. Und diese Philosophie wurde uns Enkeln von Kleinauf eingeimpft. Und ich finde das gut. Denn ja, wir essen gerne Fleisch, aber bis dieses Tier dafür stirbt, lebt es gut und das tote Leichengewebe, wie ein Veganer es jetzt nennen würde, wird nicht einfach auf den Kompost geworfen. Es wird also nach einem moderaten Leben nachhaltig geschlachtet.

Ich kann militante Veganer nicht verstehen. Sie gehen mir tierisch auf die Nerven. Es bringt dir einen Scheiß in ein Restaurant zu gehen und leute dabei anzuschreien, während sie ihr T-Bone Steak genießen. Denn genau dieses Verhalten bringt sie dazu, das nächste Mal aus reinem Trotz von 700 auf 1000 Gramm umzusteigen. Ebenso verachte ich Menschen, die sich alle möglichen tierischen Produkte kaufen und die in aller Regelmäßigkeit wegwerfen, weil sie dann doch zu viel gekauft haben und es keiner essen konnte. Das gilt auch für die Reste vom Mittagessen. Kocht weniger oder verwertet wenigstens das Fleisch weiter. Es gibt fast nichts, dass man nicht am nächsten Morgen in einem Omelette verarbeiten kann.

Bin ich ein Tiermörder? Vielleicht. Allerdings weiß ich zu schätzen, dass das Tier für mich gestorben ist.
 

2. Ökofaschismus trifft auf Wegwerfgesellschaft

Es gibt die Einen, die ein Hemd nach zweimal Tragen wegwerfen und die Anderen, die noch nicht mal mit dem Auto zum Einkaufen fahren wollen. Und ja, auch hier gibt es wieder Typen wie mich.

Ich kaufe mir gerne schicke Klamotten, sofern ich etwas in meiner Größe finde. Das darf dann auch gerne ein Markenprodukt sein. Allerdings bin ich niemand, der jeder Mode hinterrennt und nach nem halben Jahr seinen Kleiderschrank in den Spendecontainer hievt wie der Undertaker seinen Gegner am Ende eines Sargmatches. Im Gegenteil: Kleidung hat bei mir verschiedene Stufen:

1. Fresh outta box: Neu. So neu, dass ich damit eigentlich nicht einmal bei Regen rauswill, damit der Stoff auch ja geschont wird. Jaja, meine Kleidung ist hypochonder. Nicht ich 🤡
2. Alltagskleidung: Diesen Status erhält jedes Kleidungsstück früher oder später. Ist quasi wie mit dem neuen Handy. Hat man das erstmal ne Weile, hat man weniger Angst, es zu schrotten. Diese Kleidung eignet sich zum Spazieren, Freunde treffen oder auch für die Arbeit.
3. Verbrauchsklamotten: Es gibt Momente, an denen man schicke Kleidung weder braucht noch will. Die "unschicken" Sachen trägt man beim renovieren, zum Gammeln oder höchstens um mal schnell im Supermarkt die fehlenden Zutaten fürs Abendessen zu besorgen. Diese Kleidung wird niemals offiziell "draußen" getragen. Man kann damit im Garten aber nicht im Büro arbeiten, wennde verstehst. Und auch diesen Status bekommt so gut wie jedes Kleidungsstück eines Tages. Aus dem Lieblingshemd, das irgenwann verwaschen und voller Löcher ist, wird das Lieblingsgammelhemd.

Erst wenn mir etwas nicht mehr passt oder ich ein Shirt noch nicht einmal mehr zum Basteln oder Gassigehen tragen möchte, werfe ich es weg. Ich bin also weder jemand der seine Kleidung selbst strickt noch jemand der sie schnell loswird. Ich bin irgendwo dazwischen. Und das ist nicht nur bei der Kleidung so.

asdaw

Wer renoviert schon im Smoking? | Quelle: ◹Tenor

Man kann nachhaltig sein und eine Stofftasche bei sich tragen oder immer wieder eine neue Wegwerftüte kaufen - das gilt auch für Papptüten. Oder man verwendet die Einkaufstüte (unabhängig vom Material), die man eh schon gekauft hat, so lange, bis sie fast auseinanderfällt. Und dann wirft man sie, nachdem man sie zur Mülltüte umfunktioniert hat, in die richtige Tonne. Da hat man doch auch schon was für die Umwelt gemacht. Der Öko würd jetzt sagen, dass ich mir die Tüte trotzdem hätte sparen können während Mr. Verschwendibus die Tüte in einer weiteren Tüte entsorgt. Fakt ist, dass man sich hier zu Tode streiten könnte. Dem Einen ist die eine Tüte zu viel während dem Anderen egal ist, wo sie landet. Denn schließlich endet ja alles in der Müllverbrennung, nüsch? 🙈


Fazit. Oder so.

Nur weil einer nicht deiner schwarzen Meinung ist, heißt es noch lange nicht, dass er weiß denkt. Vielleicht denkt er ja grau. Und spätestens seit einem gewissen Roman mit einem Millionär der gerne Peitschen mag, wissen wir, dass grau ganz viele verschiedene Töne haben kann. Vielleicht ist dieses Grau ja näher an deinem Schwarz als am Weiß? Wer weiß (Wortspiel rein zufällig) - du kannst das nur herausfinden, wenn du dich auf ein offenes und vorurteilfreies Gespräch einlässt. Wechselt euch mit euren Argumenten ab und lasst die andere Person immer darauf antworten. Vielleicht hören wir auf diese Weise langsam auf, uns gegenseitig zu hassen und lernen, dass "leben und leben lassen" viel mehr als nur ein Sprichwort ist.

Quelle: ◹Tenor

Ja, ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass wir eines Tages alle wie erwachsene Menschen miteinander reden können.

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